Erster Teilerfolg in Berlin
UEGD

UEGD

Ungleichbehandlung

In Berlin dürfen ein erotischer Massagebetrieb und ein S/M-Studio öffnen

Das Verwaltungsgericht Berlin hat heute für Recht erkannt und entschieden, die Betriebe zweier Klägerinnen (erotische Massagen und S/M-Studio) mit sofortiger Wirkung zu öffnen.

Zusammenfassung

Betriebe, die zwar dem Prostituiertenschutzgesetz unterfallen, sind zu unterscheiden in Betriebsarten, die typischerweise Geschlechtsverkehr (GV) anbieten, und solche, die keinen GV (bei Erotikmassagen), bzw. typischerweise keinen GV (bei BDSM) anbieten. Die Betriebsarten ohne GV sind mit den erlaubten körpernahen Dienstleistungen gleichzusetzen.

Der klagende Erotikmassagebetrieb ist berechtigt zur Erbringung erotischer Massagen einschließlich Handentspannung ohne Geschlechtsverkehr, ohne „Body-to-Body-Massagen“ und ohne Wellness-Dienstleistungen in Saunen und Bädern für den Publikumsverkehr zu öffnen.

Das klagende S/M-Studio ist berechtigt zur Erbringung sexueller Dienstleistungen im Bereich BDSM/Domina ohne Geschlechtsverkehr (Dienstleistungen) für den Publikumsverkehr zu öffnen.

Achtung

Unabhängig einer präjudizierenden Wirkung der Beschlüsse ist beiden Betrieben auferlegt „die Einhaltung der Vorschriften betreffend Schutz- und Hygienekonzepte gemäß § 2 der SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung, aller Punkte ihres Schutz- und Hygienekonzepts gemäß ihres Antrags, der Vorschriften betreffend eine Anwesenheitsdokumentation gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und Abs. 2 SARS-CoV-2-IfSV und der Vorschriften betreffend das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 SARS-CoV-2-IfSV“.

Nach Rechtsauffassung des UEGD dürfen nur Betriebe öffnen, wenn sie dies gerichtlich eingeklagt haben. Es handelt sich um Einzelfallentscheidungen!

Aus den Inhalten

In beiden Verfahren kam das Gericht zu der Auffassung, dass die in der Berliner Corona-Verordnung enthaltene pauschale Untersagung von Prostitutionsgewerben (§ 2 Abs. 3 ff ProstSchG) gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt. Der besagt, dass wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln ist.

„Es besteht durchgreifender Anlass an der materiellen Rechtmäßigkeit der in § 7 Abs. 4 Satz 2 SARS-CoV-2-IfSV enthaltenen absoluten Untersagung zu zweifeln, und zwar in Ansehung der von der Antragstellerin geltend gemachten Verletzung höherrangigen Rechts in Gestalt eines Verstoßes gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot aus Artikel 3 Abs. 1 GG.“

Anders als der Verordnungsgeber differenziert das Verwaltungsgericht zwischen Betrieben die schwerpunktmäßig Geschlechtsverkehr anbieten und solchen, in denen „kein“ (bei Erotikmassagen), bzw. „typischerweise kein“ (bei BDSM) angeboten wird.

Erotikmassage

„Gemessen an diesen aktuellen Erkenntnissen unterscheiden sich Bordelle und erotische Massagestudios – soweit dort Massagen einschließlich Handentspannung ohne Geschlechtsverkehr und ohne „Body-to-Body-Massagen“ angeboten werden – aus epidemiologischer Sicht wesentlich. Da es bei der Erbringung dieser Massagen nicht zu Geschlechtsverkehr in Form von Vaginal-, Anal- oder Oralverkehr kommt, bleibt der damit einhergehende, besonders enge Ganzkörperkontakt zwischen den Dienstleistenden und den Empfängerinnen und Empfängern der Dienstleistung aus und beschränkt sich der Körperkontakt seitens der Dienstleistenden  auf Berührungen mit der Hand. Damit besteht zwischen den Beteiligten, insbesondere bezogen auf den Mund-Nasen-Bereich, in der Regel ein größerer Abstand. Ferner unterscheiden sich beide Teilbranchen sexueller Dienstleistungen dadurch, dass die körperliche Aktivität, die typischerweise mit der jeweiligen Dienstleistung einhergeht, nicht vergleichbar ist.“

BDSM

„Gemessen an diesen aktuellen Erkenntnissen unterscheiden sich Bordelle und BDSM-/Domina-Studios aus epidemiologischer Sicht wesentlich. Da es bei der Erbringung von BDSM-/Domina-Dienstleistungen typischerweise nicht zu Geschlechtsverkehr in Form von Vaginal-, Anal- oder Oralverkehr kommt, bleibt der damit einhergehende, besonders enge Ganzkörperkontakt zwischen den Dienstleistenden und den Empfängerinnen und Empfängern der Dienstleistung aus und beschränkt sich der Körperkontakt seitens oder Dienstleistenden allenfalls auf Berührungen mit der Hand, wobei das Tragen von Schutzhandschuhen nicht bereichsuntypisch ist. Damit besteht zwischen den Beteiligten, insbesondere bezogen auf den Mund-Nasen-Bereich, in der Regel ein größerer Abstand. Ferner unterscheiden sich beide Teilbranchen sexueller Dienstleistungen dadurch, dass die körperliche Aktivität, die typischerweise mit der jeweiligen Dienstleistung einhergeht, nicht vergleichbar ist.“

„Die von dem Verordnungsgeber in § 7 Abs. 4 Satz 2 SARS-CoV-2-lfSV dennoch vorgenommene Gleichbehandlung beider Teilbranchen lässt sich nach Auffassung des Gerichts mit den „Eigenarten des Prostitutionsgewerbes“, das darauf gerichtet sei, körperliche Nähe herzustellen, nicht hinreichend rechtfertigen. Die Gemeinsamkeit z.B. von Bordellen, erotischen Massagestudios und BDSM-/Domina-Studios dürfte primär darin liegen, dass die dort erbrachten Dienstleistungen darauf gerichtet sind, der Kundschaft sexuelle Befriedigung zu verschaffen. Die Art und Weise, wie dies in den verschiedenen Teilbranchen geschieht, weist – insbesondere hinsichtlich des damit typischerweise verbundenen Ausmaßes körperlicher Nähe – jedoch infektionsschutzrechtlich relevante Unterschiede auf (vgl. zuvor). Die Gleichbehandlung dürfte sich dabei auch nicht mehr im Rahmen der dem Verordnungsgeber grundsätzlich zustehenden Befugnis zu pauschalierenden und typisierenden Regelungen halten (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 05.05.2020 – 11 S 38/20 -, juris Rn. 29, und vom 10.06.2020 – 1 S 58/20 -, S. 3 f. des amtlichen Entscheidungsabdrucks, jeweils m.w.N.), zumal auch ein „Vorgehen Schritt-für-Schritt“ im Sinne eines übergreifenden Konzepts für die stufenweise Öffnung weiterer Geschäftsbereiche in diesem Zusammenhang nicht erkennbar ist.“

In beiden Beschlüssen macht das Gericht deutlich, dass die Entscheidungen ausschließlich die Betriebsformen betreffen, die generell keinen, bzw. typischerweise keinen Geschlechtsverkehr anbieten.

„Soweit Betreiberinnen und Betreiber von Prostitutionsstätten bisweilen geltend machen, während der durch das Coronavirus ausgelösten Pandemie, anders als üblich, nur erotische Massagen anbieten zu wollen (vgl. etwa VG Berlin, Beschluss vom 23.06.2020, a.a.O., S 13) berührt dies nicht den hier angenommenen wesentlichen Unterschied zwischen den in Rede stehenden, abstrakt-generell abgrenzbaren Teilbranchen. Während nämlich Bordelle in der Regel schwerpunktmäßig auf die Durchführung von Geschlechtsverkehr ausgerichtet sind und diese Dienstleistung daher typischerweise von der Kundschaft erwartet und nachgefragt wird, beinhaltete das Angebot erotischer Massagepraxen von je her, d.h. auch schon vor der Pandemie, keine solche Dienstleistung. Soweit erotische Massagestudios von „Body-to-Body-Massagen“ und bestimmten Wellness-Dienstleistungen pandemiebedingt abzusehen haben (vgl. insbesondere die Schließung von Saunen, Dampfbädern und ähnlichen Einrichtungen gemäß § 7 Abs. 3 SARS-CoV-2-IfSV), betrifft dies nur nachrangige Teilaspekte, nicht jedoch den Kern ihres Angebots und stellt damit die Unterschiedlichkeit der beiden Teilbranchen nicht in Frage.“

Die Verordnung in Berlin tritt erst mit Ablauf des 24. Oktobers 2020 außer Kraft. Dazu schreibt das Verwaltungsgericht:

„Da somit inzwischen keine nur kurze, vorübergehende Schließung mehr in Rede steht, ist der Verordnungsgeber nach Auffassung der Kammer aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gehalten, den Gegebenheiten unterschiedlicher Teilbranchen – und damit auch den epidemiologischen Unterschieden zwischen Bordellen und erotischen Massagestudios – zunehmend differenzierter – Rechnung zu tragen, zumal sich die epidemiologische Lage im Land Berlin und in der Bundesrepublik Deutschland mit Blick auf das Coronavirus in der Vergangenheit günstig entwickelt hat und derzeit auf niedrigem Niveau stagniert.

Dabei geht es vorliegend nicht darum, ob das vom Verordnungsgeber für bestimmte Bereiche allgemein angenommene erhöhte Infektionsrisiko aufgrund eines individuellen betrieblichen Hygienekonzepts geringer ausfallen könnte, sondern darum, ob die Einordnung verschiedener Teilbranchen in ein und denselben Bereich (Prostitution) infektionsschutzrechtlich noch zu rechtfertigen ist.“

Das Interessante an beiden Beschlüssen ist, dass keine Fragestellungen hinsichtlich der sonst üblicherweise problematisierten behördlichen Kontrolle von Hygienemaßnahmen und Personendatennachverfolgung enthalten sind.

Die Entscheidungen lassen hoffen, dass auch andere Verwaltungsgerichte in Deutschland sich zukünftig, insbesondere aufgrund der langen Schließungsdauern, differenzierter mit der Thematik Prostitution auseinandersetzen.

Grundsätzlich mildern die Beschlüsse nicht den Umstand, dass in Berlin die Prostitutionstätigkeit (Geschlechtsverkehr) illegal ist und mit zunehmender Dauer ein kriminelles Milieu die Organisation übernimmt. Betreiberinnen und Betreiber dürfen sich zu Recht fragen, warum sie im Rahmen des Prostituiertenschutzgesetzes tausende Euro in hygienische, gesundheitliche und sicherheitsbezogene Standards für geschützte und vertrauenswürdige Arbeitsplätze investiert haben.

Wir fordern vom Senat in Berlin die sofortige Öffnung unserer Betriebe, denn gerade wir können Infektionsschutz!

 

Az. VG 14 L 173/20 (Erotikmassagestudio)
Az. VG 14 L 163/20 (Domina S/M-Studio)


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UEGD

Ungleichbehandlung

In Berlin dürfen ein erotischer Massagebetrieb und ein S/M-Studio öffnen

Das Verwaltungsgericht Berlin hat heute für Recht erkannt und entschieden, die Betriebe zweier Klägerinnen (erotische Massagen und S/M-Studio) mit sofortiger Wirkung zu öffnen.
Erster Teilerfolg in Berlin
UEGD

Zusammenfassung

Betriebe, die zwar dem Prostituiertenschutzgesetz unterfallen, sind zu unterscheiden in Betriebsarten, die typischerweise Geschlechtsverkehr (GV) anbieten, und solche, die keinen GV (bei Erotikmassagen), bzw. typischerweise keinen GV (bei BDSM) anbieten. Die Betriebsarten ohne GV sind mit den erlaubten körpernahen Dienstleistungen gleichzusetzen.

Der klagende Erotikmassagebetrieb ist berechtigt zur Erbringung erotischer Massagen einschließlich Handentspannung ohne Geschlechtsverkehr, ohne „Body-to-Body-Massagen“ und ohne Wellness-Dienstleistungen in Saunen und Bädern für den Publikumsverkehr zu öffnen.

Das klagende S/M-Studio ist berechtigt zur Erbringung sexueller Dienstleistungen im Bereich BDSM/Domina ohne Geschlechtsverkehr (Dienstleistungen) für den Publikumsverkehr zu öffnen.

Achtung

Unabhängig einer präjudizierenden Wirkung der Beschlüsse ist beiden Betrieben auferlegt „die Einhaltung der Vorschriften betreffend Schutz- und Hygienekonzepte gemäß § 2 der SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung, aller Punkte ihres Schutz- und Hygienekonzepts gemäß ihres Antrags, der Vorschriften betreffend eine Anwesenheitsdokumentation gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und Abs. 2 SARS-CoV-2-IfSV und der Vorschriften betreffend das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 SARS-CoV-2-IfSV“.

Nach Rechtsauffassung des UEGD dürfen nur Betriebe öffnen, wenn sie dies gerichtlich eingeklagt haben. Es handelt sich um Einzelfallentscheidungen!

Aus den Inhalten

In beiden Verfahren kam das Gericht zu der Auffassung, dass die in der Berliner Corona-Verordnung enthaltene pauschale Untersagung von Prostitutionsgewerben (§ 2 Abs. 3 ff ProstSchG) gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt. Der besagt, dass wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln ist.

„Es besteht durchgreifender Anlass an der materiellen Rechtmäßigkeit der in § 7 Abs. 4 Satz 2 SARS-CoV-2-IfSV enthaltenen absoluten Untersagung zu zweifeln, und zwar in Ansehung der von der Antragstellerin geltend gemachten Verletzung höherrangigen Rechts in Gestalt eines Verstoßes gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot aus Artikel 3 Abs. 1 GG.“

Anders als der Verordnungsgeber differenziert das Verwaltungsgericht zwischen Betrieben die schwerpunktmäßig Geschlechtsverkehr anbieten und solchen, in denen „kein“ (bei Erotikmassagen), bzw. „typischerweise kein“ (bei BDSM) angeboten wird.

Erotikmassage

„Gemessen an diesen aktuellen Erkenntnissen unterscheiden sich Bordelle und erotische Massagestudios – soweit dort Massagen einschließlich Handentspannung ohne Geschlechtsverkehr und ohne „Body-to-Body-Massagen“ angeboten werden – aus epidemiologischer Sicht wesentlich. Da es bei der Erbringung dieser Massagen nicht zu Geschlechtsverkehr in Form von Vaginal-, Anal- oder Oralverkehr kommt, bleibt der damit einhergehende, besonders enge Ganzkörperkontakt zwischen den Dienstleistenden und den Empfängerinnen und Empfängern der Dienstleistung aus und beschränkt sich der Körperkontakt seitens der Dienstleistenden  auf Berührungen mit der Hand. Damit besteht zwischen den Beteiligten, insbesondere bezogen auf den Mund-Nasen-Bereich, in der Regel ein größerer Abstand. Ferner unterscheiden sich beide Teilbranchen sexueller Dienstleistungen dadurch, dass die körperliche Aktivität, die typischerweise mit der jeweiligen Dienstleistung einhergeht, nicht vergleichbar ist.“

BDSM

„Gemessen an diesen aktuellen Erkenntnissen unterscheiden sich Bordelle und BDSM-/Domina-Studios aus epidemiologischer Sicht wesentlich. Da es bei der Erbringung von BDSM-/Domina-Dienstleistungen typischerweise nicht zu Geschlechtsverkehr in Form von Vaginal-, Anal- oder Oralverkehr kommt, bleibt der damit einhergehende, besonders enge Ganzkörperkontakt zwischen den Dienstleistenden und den Empfängerinnen und Empfängern der Dienstleistung aus und beschränkt sich der Körperkontakt seitens oder Dienstleistenden allenfalls auf Berührungen mit der Hand, wobei das Tragen von Schutzhandschuhen nicht bereichsuntypisch ist. Damit besteht zwischen den Beteiligten, insbesondere bezogen auf den Mund-Nasen-Bereich, in der Regel ein größerer Abstand. Ferner unterscheiden sich beide Teilbranchen sexueller Dienstleistungen dadurch, dass die körperliche Aktivität, die typischerweise mit der jeweiligen Dienstleistung einhergeht, nicht vergleichbar ist.“

„Die von dem Verordnungsgeber in § 7 Abs. 4 Satz 2 SARS-CoV-2-lfSV dennoch vorgenommene Gleichbehandlung beider Teilbranchen lässt sich nach Auffassung des Gerichts mit den „Eigenarten des Prostitutionsgewerbes“, das darauf gerichtet sei, körperliche Nähe herzustellen, nicht hinreichend rechtfertigen. Die Gemeinsamkeit z.B. von Bordellen, erotischen Massagestudios und BDSM-/Domina-Studios dürfte primär darin liegen, dass die dort erbrachten Dienstleistungen darauf gerichtet sind, der Kundschaft sexuelle Befriedigung zu verschaffen. Die Art und Weise, wie dies in den verschiedenen Teilbranchen geschieht, weist – insbesondere hinsichtlich des damit typischerweise verbundenen Ausmaßes körperlicher Nähe – jedoch infektionsschutzrechtlich relevante Unterschiede auf (vgl. zuvor). Die Gleichbehandlung dürfte sich dabei auch nicht mehr im Rahmen der dem Verordnungsgeber grundsätzlich zustehenden Befugnis zu pauschalierenden und typisierenden Regelungen halten (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 05.05.2020 – 11 S 38/20 -, juris Rn. 29, und vom 10.06.2020 – 1 S 58/20 -, S. 3 f. des amtlichen Entscheidungsabdrucks, jeweils m.w.N.), zumal auch ein „Vorgehen Schritt-für-Schritt“ im Sinne eines übergreifenden Konzepts für die stufenweise Öffnung weiterer Geschäftsbereiche in diesem Zusammenhang nicht erkennbar ist.“

In beiden Beschlüssen macht das Gericht deutlich, dass die Entscheidungen ausschließlich die Betriebsformen betreffen, die generell keinen, bzw. typischerweise keinen Geschlechtsverkehr anbieten.

„Soweit Betreiberinnen und Betreiber von Prostitutionsstätten bisweilen geltend machen, während der durch das Coronavirus ausgelösten Pandemie, anders als üblich, nur erotische Massagen anbieten zu wollen (vgl. etwa VG Berlin, Beschluss vom 23.06.2020, a.a.O., S 13) berührt dies nicht den hier angenommenen wesentlichen Unterschied zwischen den in Rede stehenden, abstrakt-generell abgrenzbaren Teilbranchen. Während nämlich Bordelle in der Regel schwerpunktmäßig auf die Durchführung von Geschlechtsverkehr ausgerichtet sind und diese Dienstleistung daher typischerweise von der Kundschaft erwartet und nachgefragt wird, beinhaltete das Angebot erotischer Massagepraxen von je her, d.h. auch schon vor der Pandemie, keine solche Dienstleistung. Soweit erotische Massagestudios von „Body-to-Body-Massagen“ und bestimmten Wellness-Dienstleistungen pandemiebedingt abzusehen haben (vgl. insbesondere die Schließung von Saunen, Dampfbädern und ähnlichen Einrichtungen gemäß § 7 Abs. 3 SARS-CoV-2-IfSV), betrifft dies nur nachrangige Teilaspekte, nicht jedoch den Kern ihres Angebots und stellt damit die Unterschiedlichkeit der beiden Teilbranchen nicht in Frage.“

Die Verordnung in Berlin tritt erst mit Ablauf des 24. Oktobers 2020 außer Kraft. Dazu schreibt das Verwaltungsgericht:

„Da somit inzwischen keine nur kurze, vorübergehende Schließung mehr in Rede steht, ist der Verordnungsgeber nach Auffassung der Kammer aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gehalten, den Gegebenheiten unterschiedlicher Teilbranchen – und damit auch den epidemiologischen Unterschieden zwischen Bordellen und erotischen Massagestudios – zunehmend differenzierter – Rechnung zu tragen, zumal sich die epidemiologische Lage im Land Berlin und in der Bundesrepublik Deutschland mit Blick auf das Coronavirus in der Vergangenheit günstig entwickelt hat und derzeit auf niedrigem Niveau stagniert.

Dabei geht es vorliegend nicht darum, ob das vom Verordnungsgeber für bestimmte Bereiche allgemein angenommene erhöhte Infektionsrisiko aufgrund eines individuellen betrieblichen Hygienekonzepts geringer ausfallen könnte, sondern darum, ob die Einordnung verschiedener Teilbranchen in ein und denselben Bereich (Prostitution) infektionsschutzrechtlich noch zu rechtfertigen ist.“

Das Interessante an beiden Beschlüssen ist, dass keine Fragestellungen hinsichtlich der sonst üblicherweise problematisierten behördlichen Kontrolle von Hygienemaßnahmen und Personendatennachverfolgung enthalten sind.

Die Entscheidungen lassen hoffen, dass auch andere Verwaltungsgerichte in Deutschland sich zukünftig, insbesondere aufgrund der langen Schließungsdauern, differenzierter mit der Thematik Prostitution auseinandersetzen.

Grundsätzlich mildern die Beschlüsse nicht den Umstand, dass in Berlin die Prostitutionstätigkeit (Geschlechtsverkehr) illegal ist und mit zunehmender Dauer ein kriminelles Milieu die Organisation übernimmt. Betreiberinnen und Betreiber dürfen sich zu Recht fragen, warum sie im Rahmen des Prostituiertenschutzgesetzes tausende Euro in hygienische, gesundheitliche und sicherheitsbezogene Standards für geschützte und vertrauenswürdige Arbeitsplätze investiert haben.

Wir fordern vom Senat in Berlin die sofortige Öffnung unserer Betriebe, denn gerade wir können Infektionsschutz!

 

Az. VG 14 L 173/20 (Erotikmassagestudio)
Az. VG 14 L 163/20 (Domina S/M-Studio)


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